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Analyse

Warum echter Dialog mehr bringt als grüne Farbe

Corona-Krise als Brenn­glas, Wen­de­punkt, Resi­li­enz, Trans­for­ma­ti­on, Zukunfts­fä­hig­keit, Taxo­no­mie, Nachhaltigkeit…

Der Bau­kas­ten der meist genut­zen Rede­wen­dun­gen kennt sicher­lich noch mehr Wörter, die in den letz­ten zwei Jahren immer mal wieder mit der Corona- und Kli­ma­kri­se in Zusam­men­hang gebracht wurden. Die Angst vor Corona wird aller Wahr­schein­lich­keit nach in den nächs­ten Mona­ten wieder der Angst vor dem Kli­ma­wan­del wei­chen. Spä­tes­tens dann werden die Stra­te­gen den Umwelt­schutz wieder als Wer­be­mit­tel für ihre Unter­neh­men und ihre Pro­duk­te entdecken.

Aber warum wird es nicht mehr so ein­fach sein Kon­su­men­ten zu täu­schen? Der Stel­len­wert von Themen zu Umwelt­schutz und Nach­hal­tig­keit wurde nur kurz­fris­tig durch die Coro­na­kri­se gestört und spä­tes­ten durch die letzte Welt­kli­ma­kon­fe­renz in Glas­gow wieder ein­drück­lich in das kol­lek­ti­ve Gewis­sen geru­fen. Der Wandel in der Wirt­schaft ist greif­bar, die Jugend der Welt geht wieder häu­fi­ger auf die Stra­ßen und die neue Bun­des­re­gie­rung berei­tet den Weg hin zu einer sozial öko­lo­gi­schen Markt­wirt­schaft vor.

„… Als starke Indus­trie­na­ti­on, die umfas­send in die glo­ba­len Wert­schöp­fungs­ket­ten ein­ge­bet­tet ist, hat unser Land beim Schutz der Öko­lo­gie eine her­aus­ge­ho­be­ne Ver­ant­wor­tung. Deutsch­land wird seinen Bei­trag leis­ten, die Kli­ma­schutz­zie­le von Paris ein­zu­hal­ten und die Erd­er­wär­mung wirk­sam zu begren­zen. Diesem nach­hal­ti­gen Ansatz mehr Kon­se­quenz zu ver­lei­hen erfor­dert, die Sozia­le Markt­wirt­schaft zur Sozial-öko­lo­gi­schen Markt­wirt­schaft wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Unsere Wirt­schafts­ord­nung muss die Inter­es­sen künf­ti­ger Gene­ra­tio­nen und den Schutz glo­ba­ler Umwelt­gü­ter sys­te­ma­ti­scher und deut­lich ver­läss­li­cher berücksichtigen.“

So liest sich das Geleit­wort von Wirt­schafts­mi­nis­ter Habeck in seinem ersten Jah­res­wirt­schafts­be­richt 2022 „Für eine Sozial-öko­lo­gi­sche Markt­wirt­schaft – Trans­for­ma­ti­on inno­va­tiv gestal­ten“, der einen Vor­ge­schmack darauf gibt, was da noch kommen wird.[i]

Jetzt ist die Zeit nach­hal­tig Nach­hal­tig­keit zu kommunizieren.

Es geht nicht darum, auf den Zug des „grünen“ Umwelt- und Kli­ma­schutz­hy­pes auf­zu­sprin­gen und eine maß­ge­schnei­der­te Wer­be­kam­pa­gne für die jewei­li­ge Stake­hol­der­grup­pe zu kre­ieren. Nein, es geht viel­mehr darum, die Unter­neh­men für die Zukunft fit zu machen – und zwar ent­lang der gesam­ten Wertschöpfungskette.

Tritt­brett­fah­rer – um in dem Bild mit dem Zug zu blei­ben – werden heute schnell als solche auch erkannt, gerade weil Nach­hal­tig­keit und Umwelt­schutz immer mehr zu einer gesell­schaft­li­chen Bewe­gung gewor­den ist. Zu den Jugend­li­chen von Fri­days for Future gesell­ten sich ihre „Par­ents“, dann noch die Groß­el­tern und die „Sci­en­tists“. Alle natür­lich mit dem Zusatz „for Future“.

Man sieht also nicht nur auf den vielen Demos von FFF, dass die Gesell­schaft den Drang hin zu einer wer­te­ge­lei­te­ten Wirt­schafts­form hat. Wie aber lautet der Erfolgs­fak­tor in Zeiten des Kli­ma­wan­dels: Die Ant­wort lautet Ver­ant­wor­tung. Und wie reagie­ren die Unter­neh­men auf die ver­än­der­ten Bedin­gun­gen? Hier lautet die Ant­wort immer öfter: Cor­po­ra­te Social Respon­si­bi­li­ty (CSR).

Kom­mu­ni­ka­ti­on oder Greenwashing?

Die ety­mo­lo­gi­sche Wort­be­deu­tung des Begrif­fes „Kom­mu­ni­ka­ti­on“ oder „kom­mu­ni­zie­ren“ ist vom latei­ni­schen Verb com­mu­ni­ca­re abge­lei­tet, was so viel bedeu­tet wie ‘teilen’, ‘mit­tei­len’, ‘teil­neh­men lassen’; ‘gemein­sam machen’, ‘ver­ei­ni­gen’. „In dieser ursprüng­li­chen Bedeu­tung ist eine Sozi­al­hand­lung gemeint, in die meh­re­re Men­schen ein­be­zo­gen sind.“[ii] Im Gegen­satz dazu ist Green­wa­shing ein ein­sei­ti­ger „kom­mu­ni­ka­ti­ver“ Pro­zess ohne nach­voll­zieh­ba­res öko­lo­gi­sches oder sozia­les Han­deln, bei dem ver­sucht wird, dem eige­nen Unter­neh­men ein grünes Män­tel­chen um­zuhängen, ohne die Absicht etwas Gemein­sa­mes ent­ste­hen zu lassen.

Der Phi­lo­soph Jürgen Haber­mas unter­schei­det zwi­schen ver­stän­di­gungs­ori­en­tier­ter und erfolgs­ori­en­tier­ter (stra­te­gi­scher) Kom­mu­ni­ka­ti­on.[iii] Für Haber­mas ist die Ver­ständ­nis­ori­en­tie­rung der betei­lig­ten Kom­mu­ni­ka­to­ren wich­tig für unver­fälsch­tes kom­mu­ni­ka­ti­ves Han­deln. Ver­stän­di­gung ist hier aber mehr als nur das gegen­sei­ti­ge Ver­ste­hen. Es ist viel­mehr die sprach­li­che Abstim­mung und Eini­gung zwi­schen zwei oder meh­re­ren Per­so­nen mit dem Ziel, ein Ein­ver­ständ­nis im Hin­blick auf ein bestimm­tes Hand­lungs­ziel oder eine Ein­stel­lung zu errei­chen.[iv]

In der Ana­ly­se ver­ständ­nis­ori­en­tier­ter Kom­mu­ni­ka­ti­on iden­ti­fi­ziert Haber­mas vier Grund­be­din­gun­gen, die immer erfüllt sein müssen, wenn ein wahrer Kon­sens zwi­schen zwei Kom­mu­ni­zie­ren­den erreicht werden soll. Solche Regeln bezeich­net Haber­mas als uni­ver­sel­le Gel­tungs­an­sprü­che. Die vier Grund­be­din­gun­gen sind:

Ver­ständ­lich­keits­an­spruch: Die „Kommunikations­partner müssen sich seman­tisch und syn­tak­tisch ver­ständ­lich aus­drü­cken“[v].

Wahr­heits­an­spruch (Zustim­mungs­fä­hig­keit): Die „Kom­mu­ni­ka­ti­ons­part­ner müssen wahr­heits­ge­mäß über etwas spre­chen, dessen Exis­tenz beide voraus­setzen“[vi].

Wahr­haf­tig­keits­an­spruch (Sub­jek­ti­vi­tät): Die „Kom­mu­ni­ka­ti­ons­part­ner müssen alle inter­per­so­na­len Bezie­hun­gen (z.B. Macht- und Abhän­gig­keits­ver­hält­nis­se) sowie Inten­tio­nen nicht nur wahrheits­gemäß, son­dern auch auf­rich­tig offen legen“![vii]

Rich­tig­keits­an­spruch (Nor­ma­ti­vi­tät): Die „Kom­mu­ni­ka­ti­ons­part­ner müssen Normen und Werte des sozia­len Bezugs­sys­tems aner­ken­nen und das beim Gegen­über vor­aus­set­zen können“.[viii]

Im Gegen­satz zu der ver­ständ­nis­ori­en­tier­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on nennt Haber­mas erfolgs­ori­en­tier­tes sozia­les Han­deln stra­te­gisch. Min­des­tens ein Kom­mu­ni­ka­tor ver­folgt durch sein Han­deln einen Plan, um einen stra­te­gi­schen Vor­teil zu erlangen.

Bei einer ernst gemein­ten CSR-Kom­mu­ni­ka­ti­on soll­ten alle wich­ti­gen Share­hol­der und Stake­hol­der ein­be­zo­gen werden. Cor­po­ra­te Social Respon­si­bi­li­ty dient schließ­lich „als Grund­la­ge […], auf frei­wil­li­ger Basis sozia­le Belan­ge und Umwelt­be­lan­ge in die Unter­neh­mens­tä­tig­keit und in die Wech­sel­be­zie­hun­gen mit den Stake­hol­dern zu inte­grie­ren“[ix]. Und nur wenn es gelingt, in einem Dia­log­pro­zess alle rele­van­ten Stake­hol­der ein­zu­bin­den, kann die Idee, die hinter dem Kon­zept der CSR steckt, in eine wert­schöp­fen­de Stra­te­gie ein­ge­bun­den werden. Alles andere wäre „Green­wa­shing“, das früher oder später als sol­ches ent­larvt wird.

Der Grad, auf dem die Kom­mu­ni­ka­to­ren wan­deln, ist oft­mals schmal und die Auf­ga­be darf nicht nur der PR und Öffent­lich­keits­ar­beit über­las­sen werden.

Glaub­wür­di­ge Kom­mu­ni­ka­ti­on organisieren

CSR macht Sinn, wenn ein Unter­neh­men wirt­schaft­lich han­delt, ohne die Ver­brau­che­rin­nen und Ver­braucher zu belü­gen und ohne die Umwelt und/oder das sozia­le Gefüge zu zer­stö­ren. Und es geht tat­säch­lich nicht um Wohl­tä­tig­keit. Es geht darum, die Erwar­tun­gen und die Bedürf­nis­se der betei­lig­ten Per­so­nen mit­ein­an­der in Ein­klang zu brin­gen. Die Frage, wel­chen Erwar­tun­gen der Kon­su­men­ten die Unter­neh­men gerecht werden sollen, darf aber nicht den Letz­te­ren über­las­sen werden, son­dern es muss ein Kon­sens geschaf­fen werden.

Der stän­di­ge Dialog (und die Umset­zung der daraus resul­tie­ren­den Ergeb­nis­se) mit den Grup­pen, die ent­lang der Wert­schöp­fungs­ket­te Inter­es­se an dem Han­deln des Unter­neh­mens haben, macht letztend­lich die Pro­duk­te der Unter­neh­men kon­kur­renz­fä­hig. Hier­bei han­delt es sich dann um eine Win-win-win-Situa­ti­on für die Umwelt, die Gesell­schaft und nicht zuletzt für die Unternehmen.


[i]     https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Wirtschaft/jahreswirtschaftsbericht-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=12 [letz­ter Zugriff: 02.02.2022].

[ii]    Quelle: Kom­mu­ni­ka­ti­on. In: Wiki­pe­dia, Die freie Enzy­klopädie. Bear­bei­tungs­stand: 02.07.2021, 14:29 UTC. <https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kommunikation&oldid=213490239>.

[iii]    Haber­mas, Jürgen (1981): Theo­rie des kom­mu­ni­ka­ti­ven Han­delns (Bd. 1: Hand­lungs­ra­tio­na­li­tät und gesellschaftli­che Ratio­na­li­sie­rung, Bd. 2: Zur Kritik der funktionalisti­schen Ver­nunft). Frank­furt am Main: Suhrkamp.

[iv]    Vgl. ebd., p. 41.

[v]     Sche­ufe­le, Bert­ram (2007): Kom­mu­ni­ka­ti­on und Medien: Grund­be­grif­fe, Theo­rien und Kon­zep­te. In: Piwin­ger, Manfred/Zerfaß, Ansgar (edd.): Hand­buch Unter­neh­mens­kom­mu­ni­ka­ti­on. Wies­ba­den: Gabler, p. 89–122, hier p. 99.

[vi]    Ebd.

[vii]    Ebd.

[viii]   Ebd,

[ix]    Euro­päi­sche Kom­mis­si­on (2001), Grün­buch: Euro­päi­sche Rah­men­be­din­gun­gen für die sozia­le Ver­ant­wor­tung der Unter­neh­men, p. 7. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52001DC0366 [letz­ter Zugriff: 02.02.2022].